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Wie B.A.R.T. dabei hilft, Teams besser zu verstehen!

  • casa7000
  • May 5, 2022
  • 23 min read

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B.A.R.T. ist ein Akronym aus der Gruppendynamik und wird besonders in speziellen Konferenzen die sich mit dieser Thematik beschäftigen (auch oft Tavistock Konferenz genannt), benutzt. Bei diesen Konferenzen handelt es sich um temporäre Lerninstitutionen die darauf abzielen es den Teilnehmern zu ermöglichen über sich selbst, ihr Verhalten in Gruppen und über emergente Dynamiken in Gruppen zu lernen. Diese vorübergehenden Lerninstitutionen dauern manchmal nur ein paar Tage, können aber auch über mehrere Monate hinweg stattfinden. Eine zugrundeliegende Annahme solcher Konferenzen ist, dass die Prozesse die in solchen Konferenzen zu Tage kommen eine Replikation der Prozesse darstellt, die auch im echten Leben - zum Beispiel in Organisationen, Unternehmen, und Vereinen die Zusammenarbeit beeinflussen.

Teilnehmer lernen in diesen Konferenzen aus ihrer eigenen Erfahrung - das heisst, es gibt keine Vorträge sondern man lernt aus dem was man macht und denkt, was andere Teilnehmer machen und denken, und was die Gruppe(n) welcher man angehört macht und denkt. Die Lernthemen sprechen in der Regel verschiedene Bereiche des Lebens an: Wie Menschen mit Autorität und Führung umgehen und wie sie ihre verschiedenen Rollen annehmen und umsetzen. Hierbei exploriert man unterschwellige aber auch offensichtliche Tendenzen und dynamische Prozesse - wie und warum man sich für etwas entscheidet, was geschieht wenn man für etwas ausgewählt wird - oder auch nicht, was wir denken und fühlen wenn wir ausgegrenzt oder inkludiert werden, usw. Ausserdem gibt es sehr viele Möglichkeiten etwas über den Einfluss von Strukturen zu lernen - im besondern geht es dabei um Strukturen die sich mit Zeit, Raum und den Parametern einer gestellten Arbeitsaufgabe befassen. Dabei ist zu beachten dass die Arbeit innerhalb dieser Konferenzen nicht auf persönliche Faktoren oder zwischenmenschliche Beziehungen ausgerichtet ist. Vielmehr ist das explizite Ziel das Geschehen in Gruppen. Natürlich ist klar, dass auch persönliche Faktoren nicht ausgeklammert werden können - was letztendlich dazu führt, dass genau diese Faktoren eine besondere Berücksichtigung für das individuelle Lernen über sich selbst erlangen - aber mit dem Fokus auf den Effekt dieser Faktoren auf das Leben und die Arbeit in der Gruppe. Tavistock Konferenzen haben ihre Wurzeln in der Psychodynamik, also der Lehre vom Wirken - meist unbewusster - innerseelischer Kräfte und wie diese von äußeren Einflüssen beeinflusst werden. In der Psychodynamik befasst man sich mit dem inneren Befinden und dem Verhalten von Menschen, welches von der Umwelt beeinflusst wird. Tavistock Konferenzen fokussieren sich dementsprechend auf diese inneren Vorgänge und versuchen diese zu analysieren und zu verstehen. Gruppen werden während ihrer Meetings von speziell ausgebildeten Consultants begleitet. Diese Consultants interpretieren und kommentieren was sie innerhalb der Gruppe sehen und/oder wahrnehmen. Manches ist dabei für Gruppenteilnehmer offensichtlich - wenn auch unausgesprochen - und andere Dynamiken sind den Teilnehmern selbst nicht bewusst da sie zu sehr mit der Gruppe selber beschäftigt sind. Man könnte auch sagen, dass die Teilnehmer den Wald vor Bäumen nicht sehen… Das Verständnis der vorliegenden Gruppendynamik nimmt hierbei Bezug auf Gestalt-Therapie und schafft einen Fokus auf das “Hier-und-Jetzt” - also auf die Gegenwart. Es spielt keine Rolle, was Teilnehmer in ihrem “echten” Leben sind, was sie tun, welchen Status sie haben, ob sie viel Macht haben oder keine, etc. Wichtig ist nur, was die Person jetzt gerade in der bestehenden Gruppe darstellt. Der Fokus auf das “Hier-und-Jetzt” bewirkt, dass Teilnehmer sich nicht auf ihr gewöhnliches Selbstverständnis verlassen können. Im “Hier-und-Jetzt” spielt es keine Rolle, ob jemand ein renommierter Oberarzt ist oder ein Schüler. Der andauernde Fokus auf den Moment bewirkt eine Regression, da eine Orientierung am gewöhnlichem Selbstverständnis nicht möglich ist. Diese Regression schafft eine gewisse Unsicherheit: Wie nehme ich mich wahr? Wie nehmen die anderen mich wahr? Wer bin ich in dieser Gruppe? Daraus resultiert für manche Teilnehmer ein immenses Potenzial, etwas über sich selbst zu lernen. Für andere Teilnehmer resultiert diese Regression hingegen in sehr ausgeprägtem defensiven Verhalten - was natürlich auch wiederum ein gewaltiges Lernpotenzial in sich trägt.


Es sind genau diese Prozesse, welche die Basis für ein Verständnis der Gruppendynamik darstellen. BART stellt hierbei einen vielleicht überaus stark minimierten Verständnisansatz dar welcher die Komplexität solcher Dynamiken unnötig beschneidet indem versucht wird, diese Komplexität mit vier einfachen Parametern zu umzeichnen. Dies ist ein ausgesprochen wichtiger Punkt: BART kann eine solche Komplexität nicht vollständig erläutern. BART ist aber ein Verständnisansatz der es auch Menschen die sich nicht jahrzehntelang mit Psychodynamik befasst haben ermöglicht, die Schlüsselelemente der Gruppendynamik zu verstehen. Genau darin liegt eine Wertschöpfung für jeden Unternehmensberater, jede Führungsperson und generell für jeden und jede die mit einem und in einem Team arbeiten. Solche Konferenzen fanden ihren Ursprung in den 1940er Jahren durch die Arbeit von Wilfred Bion. Die Erfahrungen die Bion in seinen ersten experimentellen Gruppen sammelte bilden die Basis für die spätere Entwicklung von entsprechenden, designierten Gruppenkonferenzen durch Kenneth Rice am Tavistock Institute in London. Die erste Konferenz dieser Art fand dort in 1957 statt. In den USA werden solche Konferenzen schon seit den 1960er Jahren durchgeführt und auch im deutschsprachigen Raum sind solche Konferenzen nicht ganz unbekannt. Das Akronym B.A.R.T. steht für vier wichtige Elemente die zum Verständnis einer (Arbeits)gruppe bzw., eines Teams beitragen: Boundary (Grenzen/Handlungsparameter)


Authority (Autorisierung/Handlungsbefugnis)


Role (Rolle innerhalb des Teams)


Task (Aufgabe)


Bevor wir uns aber näher mit den einzelnen Elementen befassen, sollten wir verstehen, dass dieses Modell zwar ausgesprochen verständlich und auch hilfreich ist, jedoch das gesamte Spektrum an Gruppendynamik-basiertem Wissen nur ansatzweise umfasst. Was Menschen in Gruppen lernen ist IMMER subjektiv und persönlich - und somit auch entsprechend komplex.


Wer in einer (und mit einer) Gruppe oder einem Team arbeitet, hat immer die Gelegenheit etwas über das Verhalten des Teams als Ganzes zu lernen (z.B., wie die Gruppe mit Autoritätspersonen umgeht oder wie sie sich einer Aufgabe stellt - oder auch nicht). Da jedes Team aber aus Individuen besteht, hat somit auch jeder Teilnehmer die Gelegenheit,

etwas über sich selber zu lernen.

Mit anderen Worten, das Arbeiten in und mit Teams ermöglicht immer ein Lernen auf einer gewissen Meta-ebene (also etwas über das Team selbst zu lernen), aber auch, sich selbst - und sein Verhalten - innerhalb des Teams besser zu verstehen.


In diesem Sinne ist BART ein ausgesprochen hilfreiches Konstrukt um generelle Gruppendynamik zu verstehen - aber es hat nicht den Anspruch, das gesamte verfügbare Lernpotenzial zu erläutern und zu erklären.

Boundary (Grenzen/Handlungsparameter): Man kann sich ein Arbeitsteam leicht als eine Gruppe von Menschen vorstellen, die innerhalb gewisser zeitlicher und räumlicher Grenzen zusammen kommen, um eine definierte Aufgabe zu übernehmen. Solche Grenzen bilden somit ein Art Container - im wahrsten Sinne des Wortes: To contain - zu enthalten, zu umfassen. In diesen Sinne ist ein Team oder eine Gruppe ein Behälter. In unserem Leben stoßen wir natürlich ständig auf Grenzen - auch wenn wir diese manchmal nicht wirklich als solche wahrnehmen. Zeit, Aufgaben die wir übernehmen oder zugeteilt bekommen und das Umfeld in welchem wir agieren bilden die Grundlage für das Verständnis von Gruppendynamik.



Zeitgrenzen:


Eine Metapher für Zeit die in Tavistock Konferenzen benutzt wird ist die ausgesprochen strikte Einhaltung von Anfang und Ende der Gruppenmeetings durch den Consultant. Es ist daher nicht ungewöhnlich, dass ein Teilnehmer mitten im Satz ist, wenn der Consultant zum festgesetzten Zeitpunkt (=Ende des Meetings) plötzlich aufsteht und den Raum verlässt.

Die Teilnehmer werden auf diese Weise mit der Starrheit der Zeitgrenze konfrontiert und lernen sehr schnell dass ein Meeting auch wirklich vorbei ist, wenn der festgesetzte Zeitrahmen erreicht wird. Die Reaktionen auf solches Verhalten können sehr unterschiedlich sein. Manche Teilnehmer finden es unverschämt, manche fühle sich beleidigt, andere finden es lustig, usw. Wenn Teilnehmer dann unweigerlich damit anfangen ihre eigenen Reaktionen auf eine solche systematische Starrheit verstehen zu wollen, so bietet sich für alle - individuelle Teilnehmer wie auch für die Gruppe als Ganzes - ein gewaltiges Lernpotenzial.


Natürlich können Gespräche und Diskussionen auch fortgesetzt werden nachdem der Consultant den Raum bereits verlassen hat, aber es ist dennoch für alle Anwesenden ganz offensichtlich, dass sich die Grenzen der Gruppe durch die Anwesenheit oder die Abwesenheit des Consultants stark verändern lassen.


Im Alltag haben wir Fristen, Termine, Fälligkeiten und Ähnliches, die wir einhalten müssen. Die Nichtbeachtung dieser Zeitgrenzen hat Konsequenzen, je nachdem wie starr diese zeitlichen Grenzen gesetzt sind. Jeder, der schon einmal am Bahnhof oder am Flughafen zu spät gekommen ist, ist mit dieser Tatsache nur zu gut vertraut. Wenn Sie zur Abflugzeit nicht am Gate sind, werden die Türen geschlossen und Ihre Reisepläne werden zwangsläufig geändert. Wer zu spät zum Zug kommt, der kann nur noch hinterher schauen.


Eine verpasste Frist kann - je nach Situation - entweder keine oder nur begrenzte Konsequenzen haben, während sie in anderen Umständen auch eine verpasste Gelegenheit oder sogar das Ende einer Karriere bedeuten kann. Somit sind zeitliche Grenzen von ausgesprochen hoher Wichtigkeit.

Raumgrenzen:

Räumliche Grenzen sind genauso einfach zu verstehen: Sie umfassen den Raum, in dem die Arbeit stattfindet. Dies kann natürlich den tatsächlichen Raum betreffen - aber es kann hierbei auch um unser Territorium, unser Revier gehen. In den vielen Büros oder Organisationen gibt es immer mal wieder eine Art „Revierkampf“ - womit eigentlich eher ein metaphorischer Raum gemeint ist. “Unser” Revier vermittelt, wo die Verantwortung einer Person oder Gruppe endet und die einer anderen beginnt. Menschen markieren eben auch gerne “ihr” Revier!


Weitaus häufiger geht es beim Verständnis von Raumgrenzen aber natürlich um reelle Gebiete. Auf allen Kontinenten gibt es aktuell und auch historisch strittige Fragen über den Verlauf von Grenzen. Menschen führen Kriege, Separatisten wollen die Abgrenzung von bestehender Regierung und den Anschluss an eine andere - oder Autonomie. Territoriale Abgrenzung schafft Identität - und diese Identität kann sehr tief verwurzelt sein. Ossis und Wessis, Nord-Irland und Irland, Basken, usw. haben alle eine eigene Identität die uns sehr beeindruckend vermittelt, welche Wichtigkeit Grenzen für Menschen darstellen.


Aufgabengrenzen:

Solche Gebiets-, Raum- und Zeitgrenzen sind sicherlich für die meisten Menschen recht einfach zu erkennen. In der Gruppendynamik stellt die Begrenzung der Arbeit, bzw. der Aufgabe jedoch einen Schlüsselfaktor da. Die Art und Weise, wie Gruppenmitglieder die Arbeit/Aufgabe verstehen und wie sie diese Arbeit/Aufgabe letztendlich durchführen, beeinflusst so ziemlich jeden Aspekt des Gruppenlebens.


Revierkämpfe bieten hier einen Ansatzpunkt um die Unterschiede zwischen Gruppen in Bezug auf die Art der Arbeit/Aufgabe besser zu verstehen. Eine der größten Herausforderung für Gruppen und Teams entsteht, wenn Gruppenmitglieder eine gegebene Aufgabe ganz unterschiedlich interpretieren und verstehen. Zwar könnte man meinen, dass es solche Probleme eigentlich nicht geben sollte. Schliesslich ist doch ganz klar, was wir in unserer Firma machen - hier gibt es Prozessen, Ziele, herzustellende Produkte, usw. Wir haben die Mission unserer Firma, an der wir uns orientieren, haben Verträge, an die wir uns halten, Aufträge, die wir erfüllen oder einen Lehrplan an den wir uns halten. Obwohl es also entsprechende Parameter gibt, innerhalb welche wir agieren, so hat bestimmt jeder auch schonmal die Erfahrungen gemacht, dass manche Kollegen eine ganz andere Auffassung der Aufgabe, Herausforderungen oder eines Standards hatten. Ein Freund von mir hat letztens sein Bad renovieren lassen. Die Aufgabenstellung war entsprechend einfach: altes Bad raus, neues Bad rein! Schon während des Planungsprozesses hatte man Fliesen ausgesucht, eine neue Wanne, Waschbecken, Lampen, Armaturen, usw. bestellt. Man hatte den Raum neu aufgeteilt, ein Dachfenster eingeplant, und eine Fußbodenheizung vorgesehen. Jedes kleinste Detail wurde besprochen. Die Vision meines Freundes und die tatsächliche Umsetzung lieferten jedoch fast täglich Konfliktpotenzial. Obwohl die gestellte Aufgabe für meine Freund ausgesprochen klar war - und obwohl die Handwerker genau wussten, was es zu tun gab, so war die Interpretation der zu machenden Arbeit jedoch ausgesprochen unterschiedlich. Wenn wir uns mit Boundaries/Grenzen befassen, dann muss unser Verständnis über die bloße Berücksichtigung von Zeit, Arbeit/Aufgabe, oder Raum/Gebiet hinaus gehen. Wichtig ist, dass wir uns auch Gedanken über verfügbare Ressourcen machen, denn Ressourcen beeinflussen häufig welche Kompetenzen Gruppenmitgliedern und auch der gesamten Organisation zur Verfügung stehen. Wir brauchen Geld, qualifizierte Angestellte, passende Werkzeuge und Maschinen. Wenn wir über Boundaries/Grenzen nachdenken, dann sollten wir auch Verantwortungsbereiche mit einbeziehen: wer trägt wieviel - und welche - Verantwortung? Letztendlich kann man eine Diskussion solcher Grenzen sogar bis auf die fundamentalsten Bereiche des Lebens - wie die Verfügbarkeit von Luft, Wasser, Nahrung, usw. - ausweiten. Stehen solche Ressourcen nicht adäquat zur Verfügung, dann wird die Umsetzung eines Projektes schwierig oder sogar unmöglich!

Manche Teams arbeiten einfach besser wenn der gegebene Zeitplan minutengenau getaktet ist oder wenn Aufgaben, Prozesse und Arbeiten ganz minutiös vorgegeben sind. Andere Teams ziehen das genaue Gegenteil vor - strikte Grenzen stellen hier nur eine ungewünschte Einschränkung dar. Entscheidend hierbei ist jedoch, dass absolute Klarheit über die Grenzen eines Teams oder einer Organisation herrscht. Auch ist es sehr hilfreich, wenn man die bestehende Kultur in Bezug auf die wichtigen Grenzen innerhalb eines Teams oder einer Organisation versteht, da diese nicht überall gleich ist und einen gewaltigen Einfluss auf das Verständnis solcher Grenzen haben kann.


Ich schaue mir, zum Beispiel, jeden Abend eine Nachrichtensendung auf youtube an. Die Mitwirkenden müssen die Sendung natürlich zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig aufgenommen und entsprechend editiert haben. Zugleich müssen sie aber bis zum letzten Zeitpunkt flexibel sein damit sichergestellt werden kann, dass die Sendung auch wirklich die aktuellsten Nachrichten enthält. Solche Abgrenzungen können also durchaus als Behälter betrachtet werden der die zu verrichtende Aufgabe umschliesst. Ein Behälter, per Definition, umschliesst einen Inhalt und trennt diesen somit von der Umwelt ab. Technische Normen definieren einen Behälter als dicht gegenüber dem Medium, für das er konzipiert bzw. konstruiert wurde. Wenn der Behälter Schäden aufweist, Löcher hat oder undicht ist, dann kann er die Aufgabe auch nicht richtig beinhalten. Dies gilt auch für den metaphorischen Behälter der Gruppendynamik!


Natürlich erscheint das Konzept eines Containers oder Behälters welcher die Umgrenzung einer Aktivität darstellt erstmal relativ simpel. Auch könnte man meinen, das solch ein denkbar einfaches Konzept vielleicht gar nicht hilfreich sein kann und man ihm deshalb auch nicht viel Beachtung schenken sollte. Allerdings sollte man sich das geistige Bild eines Behälters mit Löchern immer vor Augen halten - denn wie auch ein Eimer mit einem Riss schlecht geeignet ist, um Wasser darin zu transportieren, so ist auch ein Team oder eine Organisation welche keine klaren Grenzen aufweist der Gefahr ausgesetzt, dass die zu machende Arbeit innerhalb dieses Team oder der Organisation, negativ beeinflusst wird.


Gerade gestern (03. Mai 2022) berichteten die weltweiten Medien darüber, dass Informationen des U.S. Supreme Courts in Bezug auf lokale Abtreibungsgesetze (Roe vs. Wade) auf inoffiziellem Weg an die Öffentlichkeit gelangt sind. Der U.S. Supreme Court hatte noch nie so ein Informationsleck - das heisst, normalerweise stellt diese Institution einen sehr guten Container dar, in welchem die Geschehnisse und Arbeiten im Inneren sehr gut von der Aussenwelt abgegrenzt werden. Das nun Information nach Aussen illegal weitergegeben wurde stellt ein gewaltiges Problem dar, führt zu Demonstrationen und Aufruhr und zerrüttet das Vertrauen der Bürger in diese Institution. Wenn die Grenzen eines Teams nicht klar sind, dann führt dies in der Regel zu Problemen! Die Beachtung solcher Grenzen dient der gestellten Aufgabe!

Von besonderer Wichtigkeit ist hierbei das Grenzen: • eindeutig und klar spezifiziert und beschrieben sind. Zeit, Aufgabe und Raum sollten für alle vollkommen klar sein. Jeder Teilnehmer sollte in der Lage sein einfache Fragen wie “Wann?”, “Was?” und “Wo?” ohne Probleme zu beantworten: “Am 11. Juli treffen wir uns von 15 - 17 Uhr im Zimmer 24 um über darüber zu sprechen, welche Schritte wir für unser Projekt als nächstes machen müssen.” Sollten diese Parameter nicht klar sein, dann kann es natürlich vorkommen dass Teilnehmer für den gleichen Zeitraum andere Verpflichtungen haben oder das in dem Raum schon ein anderes Meeting stattfindet. Ohne klare Spezifizierung kann es zu sehr vielen Problemen kommen. • von allen Teilnehmern Zustimmung erfahren.

Obwohl eine Grenze klar umrissen sein kann, müssen sich die beteiligten Parteien einigen, was die angegebene Zeit, zu machende Aufgaben oder Lokalität ist und/oder wie sie diese interpretieren. Hierbei kann es immer mal wieder zu Meinungsverschiedenheiten kommen. Auch wenn man sich vielleicht untereinander nicht einigen kann, was denn nun die wirklichen Parameter sind, so besteht trotzdem möglicherweise zumindest Einigkeit darüber, wer die Autorität oder Zuständigkeit hat, diese Parameter festzulegen. Hier treffen Boundary/Grenze und Autorität aufeinander.


Wenn Menschen sich nicht einigen können oder wollen, so sind Autoritätsträger oftmals eine willkommene Lösung. Menschen in offiziellen Uniformen – Richter, Schiedsrichter, Polizisten – können in solchen Fällen ausgesprochen hilfreich sein. Genau wie auch Menschen die eine offiziellen Rang bekleiden - Boss, Manager, Bischoff, usw., oder die einen besonderen Status innehaben. Dazu aber später noch mehr.

• eingehalten werden.


Es kann leicht passieren, dass manche Menschen die gegebenen Grenzen lediglich als “Vorschlag” ansehen - eher als Richtlinien die eine gewisse Flexibilität erlauben und weniger als klare Anweisungen, die eingehalten werden müssen, damit das Team oder die Organisation ihre Arbeit entsprechend verrichten kann.


Geschieht dies, so läuft das Team oder eine Organisation Gefahr, im Chaos zu versinken: Manche Angestellte erscheinen pünktlich für ein Meeting während andere auf sich warten lassen oder gar nicht kommen. Diejenigen die pünktlich da waren sind frustriert oder vielleicht auch verärgert, sie fühlen sich verunglimpft oder das so etwas reine Zeitverschwendung ist. Die Arbeit kann nur schwer oder gar nicht gemacht werden. Wichtige Stakeholder sind nicht anwesend und somit fehlen wichtige Informationen. Entscheidungsträger sind nicht da und daher kann das Meeting nicht zu einem Ergebnis kommen. Manche Teilnehmer haben die Vorarbeit, die sie eigentlich hätten machen müssen, einfach vergessen. Und so weiter. Die resultierenden Probleme sind schier endlos! Ich rege Teammitglieder immer gerne an, kurz darüber zu sprechen, welche Grenzen sie setzen, warum diese Grenzen für das Team und die Teilnehmer wichtig sind und was diese Grenzen bewirken bzw., was sie bewirken sollen. Solche kurzen Diskussionen sind ein ganz hervorragender Mechanismus um diese Parameter klar an alle zu vermitteln - und zwar so, dass man sich leicht daran erinnert und auch genau weiss, warum es wichtig ist sich daran zu halten. Manche Menschen finden es hilfreich wenn man sich diese Grenzen als eine Türe vorstellt - zum Beispiel die Türe zu einem Bürogebäude. Befinde ich mich irgendwo ausserhalb des Gebäudes in der Öffentlichkeit, so bin ich lediglich Markus Mustermann - ein Mensch wie jeder andere - eine Privatperson. Die Türe stellt jedoch einen Übergang dar: Schreite ich hindurch, so schlüpfe ich auch in eine andere Rolle. Jetzt bin ich nicht nur Markus Mustermann, sondern ich bin Markus Mustermann, der Projektleiter - und in der Rolle des Projektleiters habe ich verschieden Pflichten und Befugnisse. Vor kurzem habe ich mich mit einem Bekannten unterhalten der mir erzählte wie unglaublich aufgeregt und nervös er vor jeder Präsentation ist. Er steht im Hintergrund neben der Bühne während ein anderer Speaker noch die letzten Schlussworte spricht. Dann wartet er darauf, vom Moderator vorgestellt zu werden und betritt schliesslich die Bühne. Er sagte mir, es wäre immer ein seltsames Gefühl diese unglaubliche Nervosität zu spüren - nur um dann festzustellen, dass die Nervosität innerhalb der ersten Minute seiner Präsentation sofort abklingt. Mit anderen Worten, mein Bekannter schreitet ebenfalls durch eine Türe - auch wenn in diesem Fall die Türe vielleicht nur ein Vorhang oder ein paar Stufen hinauf zur Bühne sind. In jedem Fall handelt es sich hierbei jedoch um eine Übergangsregion in welcher etwas geschieht. Und dies ist wichtig: Wir sollten immer daran denken, dass die Grenzen die unseren Container darstellen, etwas mit den Menschen machen. Auch sollten wir daran denken, dass dieser Wandel manchmal nicht sofort stattfindet sondern auch mal etwas Zeit brauchen kann. Auch bei Teams und Arbeitsgruppen kann es ausgesprochen hilfreich und wichtig sein, dass man den Teammitgliedern ermöglicht, diesen Übergang auch wirklich zu durchlaufen und zu erfahren - und sich selbst dann innerhalb der gesetzten Grenzen wieder zu finden. Wieviele von uns sitzen in Meetings die immer mit Small talk beginnen bevor man zur eigentlichen Arbeit übergeht? Und wieviele Menschen sind frustriert, dass Teammitglieder so verschwenderisch mit unserer begrenzten Arbeitszeit umgehen? Oftmals ist es also von Vorteil, wenn Teammitglieder die Möglichkeit haben die Grenze zur eigentlichen Teamarbeit effizient und zielgerichtet zu überschreiten. Erfahrungsgemäß kann dies sehr schnell und effektiv dadurch gemacht werden, dass man einfach nur kurz nachfragt, wie sich alle fühlen, was sie sich im Meeting erhoffen, ob sie Informationen haben, die geteilt werden sollen, usw. In der Regel bringt ein solcher kurzer “check in” die Teilnehmer sehr schnell in das “Hier und Jetzt”.


Authority (Autorisierung/Handlungsbefugnis): Eine Autorisierung oder Handlungsbefugnis ist im Grunde nichts anderes, als die Ermächtigung eine bestimmte Arbeit zu verrichten. Einwanderungsbeamte sind autorisiert Pässe, Visa und andere Papiere zu kontrollieren, Krankenpfleger haben die Befugnis Blut abzunehmen und Zoowärter dürfen in das Löwengehege um dort sauber zu machen. Man könnte also auch sagen, dass eine Autorisierung und eine Handlungsbefugnis eine gewisse Macht übertragen. Wenn die befugte Person diese Macht an sich nimmt, so erwarten wir, dass die Person diese Macht mit Sorgfalt und Umsicht ausübt und für die vorgenommenen Handlungen und Entscheidungen die Verantwortung übernimmt.


Hierbei gilt es aber zwischen zwei verschiedenen Arten der Autorisierung/Handlungsbefugnis zu unterscheiden:

Formell: Zum einen haben wir die Autorisierung die durch eine Gremium, eine Körperschaft oder eine Organisation erteilt wird - oder aber direkt von einer Person (zum Beispiel dem Chef oder dem Manager) auf eine andere übertragen wird. Diese Art der Autorisierung ist formell und wird delegiert - also von einer Gruppe oder Person an jemand anderen weitergegeben.


Die Autorisierung betrifft in der Regel nur einen Teilaspekt der gesamten Autorität oder Handlungsbefugnis, die eine Gruppe oder eine Person innehat: Als Werksleiter hat man eine gewisse Handlungsbefugnis über das entsprechende Werk. Diese Handlungsbefugnis wird von der Geschäftsleitung erteilt und ist im Umfang beschränkt: die erteilten Befugnisse gelten nicht für andere Werke der gleichen Firma.

Natürlich gibt es auch Situationen in welcher die gesamte Befugnis auf jemand anderen übertragen wird. Wird, zum Beispiel, der deutsche Bundeskanzler unfähig, längerfristig das Amt auszuüben, so wird die Verantwortung entsprechend übertragen: Im achten Paragraphen der Geschäftsordnung der Bundesregierung steht: "Ist der Bundeskanzler an der Wahrnehmung seiner Geschäfte allgemein verhindert, so vertritt ihn der (…) zu seinem Stellvertreter ernannte Bundesminister”.


Ähnliche Regelungen gibt es auch sonst fast überall. Die meisten Organisationen haben einen designierten Stellvertreter welcher die gesamte Führungsverantwortung entsprechend übernimmt.


Die so erteilte formelle bzw. delegierte Handlungsbefugnis unterliegt verschiedenen Voraussetzungen um entsprechend zu funktionieren: • Klare Definition: Eine Handlungsbefugnis muss ganz klar von der Gruppe oder der Person welche sie erteilt definiert werden. Die Person, die eine Handlungsbefugnis erhält muss ganz klar verstehen, was genau diese Befugnis umfasst. Sollte ein klare Definition fehlen, so läuft man Gefahr, dass manche Arbeiten einfach liegenbleiben, nur unvollständig verrichtet werden oder das sogar Aufgaben und Arbeiten erledigt werden für welche die Person überhaupt keine Befugnis hat. • Angemessene Umsetzung: Obwohl es meistens recht einfach für Menschen ist auch wirklich zu verstehen welche Befugnisse sie bekommen haben, so erscheint es oftmals recht schwierig, die erhaltenen Befugnisse auch wirklich umzusetzen. Dies kann entweder bedeuten, dass die Person nicht das gesamte Spektrum der Befugnis in Anspruch nimmt, oder aber, dass die Person weit über die erteilte Befugnis hinausschießt. • Die richtigen Tools/Ressourcen:

Die tollste Befugnis bedeutet wenig, wenn man die erwarteten Arbeiten gar nicht erst umsetzen kann weil die entsprechenden Tools fehlen. Ich kann nicht an einem Zoom Meeting teilnehmen wenn ich kein Internet habe, mir das entsprechende Programm fehlt oder ich keinen Computer, kein Tablet oder kein Handy habe. Damit eine erteile Befugnis auch umgesetzt werden kann muss man sicherstellen, das die benötigten Ressourcen zur Verfügung stehen.

Persönlich: Wie ein Mensch eine übertragene Befugnis umsetzt beschreibt man generell als persönliche Autorisierung (oder auch Selbstautorisierung). Man könnte auch sagen, dass wir formell delegierte Befugnisse durch unsere persönliche Autorisierung erst umsetzen. Dies wird durch verschiedene Faktoren stark beeinflusst: Wer wir sind, wie wir uns selbst wahrnehmen, wie oder wo wie aufgewachsen sind, usw. Man kann einer jungen Frau die in Berlin lebt und auch dort aufgewachsen ist gerne die Befugnis erteilen, alle Kühe auf einem Bauernhof in Tirol zu melken - aber ob und wie sie diese Befugnis umsetzt wird ganz sicherlich eine Frage der persönlichen Autorität sein. Man könnte mich autorisieren die neueste Version der Space-X Rakete zu entwerfen - aber ich würde mich mit dieser Aufgabe überfordert fühlen. Mit anderen Worten, eine formelle Befugniserteilung trägt nur dann Früchte, wenn sich die befugte Person auch persönlich dazu in der Lage fühlt, die übertragenen Arbeiten und Aufgaben auch zu erfüllen. Die Frage hierbei ist, was eine Person an einer persönlichen Autorisierung hindert - und auch, welche Faktoren eine solche Autorisierung fördern. Denken wir zurück an die Tavistock Konferenz: Unweigerlich wir irgendein Teilnehmer einen Vorschlag machen, wie das erste Meeting beginnen soll. Vielleicht stellen sich erstmal alle vor? Jeder sagt seinen Namen, woher man kommt und was man beruflich so macht. Wir alle haben schonmal in solch einer Situation gesessen. Meistens werden solche Meeting von einer Person mit formeller Autorität eröffnet - und deshalb werden solche Anregung auch in der Regel sofort umgesetzt.


Was aber geschieht, wenn eine solche formelle Autorisierung fehlt und kein Teamleiter, Chef, oder sonstige Autoritätsperson zugegen ist? Warum fühlen sich manche Person dazu befugt - persönlich autorisiert - diese Fragen überhaupt vorzuschlagen? Hierfür gibt es natürlich sehr viele unterschiedliche Gründe: Beispielsweise kann eine Person sich mehr oder weniger persönlich autorisiert fühlen in Abhängigkeit dazu stehen, wie sie glaubt, dass die von ihrer Selbstautorisierung betroffenen Personen das gezeigte Verhalten wertschätzen werden. Werden die anderen mich als natürliche Führungsperson wahrnehmen oder werden sie denken, ich würde zu dominant sein? Zu arrogant? Vielleicht sexistisch? Rassistisch? Oder doch einfach nur selbstbewusst? Motiviert? Ungeduldig? Mit dem Thema vertraut? Ambitioniert?

Viele Entscheidungen die wir treffen haben etwas mit unseren Wünschen und unseren inneren Ängsten zu tun. Häufig geht es dabei einfach nur darum, wie wir mit diesen Gefühlen umgehen. Je mehr wir über die Dinge wissen und nachdenken, die unsere persönliche Autorisierung beeinflussen, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir uns auf die gestellte Aufgabe oder Arbeit konzentrieren können und uns somit eine angemessene Selbstautorisierung erteilen können.


Role (Rolle innerhalb des Teams): Jeder Mensch agiert in einer Vielzahl von verschiedenen Rollen. Manche dieser Rollen sind nur vorübergehend und andere überspannen das gesamte Leben eines Menschen. Ich bin an nur einem Abend und nur für eine Stunde der Elternvertreter auf einer Konferenz der Schule meiner Tochter - aber ich bin mein Leben lang Vater.

Rollen können erworben, delegiert, übertragen und erreicht werden. Je nachdem wir gut uns eine Rolle passt, kann sich aus einer Rolle schnell auch eine Identität entwickeln. Auf einem Manöver der Luftwaffe saß ich vor vielen Jahren mal einem ersten Treffen von Reservisten bei. Zu Beginn des Treffens ging man reihum und stellte sich vor. Die meisten Anwesenden nannten lediglich ihren Namen und vielleicht auch noch, wo sie stationiert waren. Nur eine Person nannte ihren Namen, gefolgt von einem Titel: Stefan Mustermann, Generalleutnant a. D. (außer Dienst).

Herr Mustermann hatte sich ganz klar so wohl in der Rolle (und mit dem damit verbundenem Status) des Generalleutnants gefühlt, dass diese Rolle ein Teil seiner Identität geworden war - auch Jahre nachdem er längst aus der Luftwaffe ausgeschieden war! Zum besseren Verständnis sollten wir zwischen formellen und informellen Rollen unterscheiden: Formelle Rollen: Formelle Rollen definieren die Verpflichtungen, die man in dieser Rolle hat, welche Parameter zur Erfüllung der Aufgabe/Arbeit wichtig sind, mit welchen Menschen man zusammenarbeitet, welche Prozesse berücksichtigt werden müssen, und oftmals auch wie es aussieht, wenn man in dieser Rolle erfolgreich ist. Ein Fussballtrainer dessen Verein immer verliert wird diese Rolle nicht lange innehaben! Solche formellen Rollen werden normalerweise von externer Stelle zugewiesen. Der Fussballtrainer wird vom Vorstand angeheuert, der Rektor vom Schulamt und der Werkleiter vom entsprechendem Vorgesetzten. Diese externen Personen, Gremien, Vorstände, usw. sind in der Regel auch diejenigen, die darüber urteilen ob jemand in seiner Rolle Erfolg hat oder nicht. Das heisst, sie sind in einer Position um das Rollenverhalten eines anderen zu bewerten - und somit auch direkt zu beeinflussen ob eine Person in dieser Rolle bleibt oder auch nicht.

Natürlich gibt es auch Rollen die wir aus anderen Gründen innehaben. Vielleicht haben wir die Rolle geerbt oder sie wurde uns als Privileg übertragen. Wieso wir eine Rolle innehaben hat somit auch einen Einfluss darauf, wie wir eine Rolle umsetzen und ob wir in dieser Rolle bleiben werden oder nicht. Wenn jemand die Firma des Vaters übernimmt, dann hat diese Person oftmals einen weitaus größeren Verhaltens- und Ermessensspielraum als jemand der vom Vorstand in diese Position gewählt wurde. Eine vielleicht einfachere Art, sich formelle Autorität vorzustellen, ist in Bezug auf die Personen, die wir umgangssprachlich „Autoritäten“ nennen. Polizeibeamte sind ein klares Beispiel dafür, wo Rolle, Autorität und Aufgabe zusammenlaufen. Wir erwarten von der Polizei, dass sie Verbrechen bekämpft, die allgemeine Ordnung aufrechterhält und Strafzettel für Verkehrsverstöße ausstellt. Polizisten sind in ihrer Rolle durch ihre Uniformen und eine allgemeine gesellschaftliche Vereinbarung über die Art ihrer Aufgabe leicht zu erkennen. Darüber hinaus ist es für eine Person die innerhalb der Parameter ihrer Rolle agiert unerlässlich sich bewusst zu sein wie andere Personen sie in dieser Rolle wahrnehmen und wie dies das Verhalten anderer Menschen beeinflusst. Da Rollen oftmals eng mit Autorität und Grenzen verbunden sind, kann eine falsche Wahrnehmung der Rolle auch zu einer falschen Wahrnehmung von Autorität und Grenzen führen! Selbstverständlich sollte uns klar sein, dass wir alle täglich verschiedene Rollen übernehmen. Manchmal schlüpfen wir auch permanent von einer Rolle in die nächste: Letzten Monat war jemand noch Abiturient und jetzt ist er Student und in einigen Jahren dann Dozent. Ein anderer war vielleicht vorher ein Häftling und ist jetzt ein Angestellter. Wenn Menschen von einer Rolle zu einer anderen wechseln, dann kann es sehr wichtig sein, sich der Ansprüche der neuen Rolle sehr bewusst zu sein. Informelle Rollen: Informelle Rollen dienen hauptsächlich dazu, um Lücken in formeller Autorisierung zu schließen. Es ist fast unmöglich - und auch nicht unbedingt wünschenswert - jedes noch so kleine Detail auszuarbeiten und zu definieren. Daher ist es unabdinglich das Menschen informelle Rollen übernehmen um solche Lücken zu schließen. Manchmal werden informelle Rollen übernommen weil sie sonst niemand machen will oder kann. In meinem ehemaligem Büro stand eine einfache Kaffeemaschine. Natürlich gab es keinerlei formelle Rolle die eine bestimmte Person damit auserkor für alle Kaffee zu kochen. Jeder machte eben dann Kaffee, wenn keiner mehr da war. Manche Mitarbeiter machten dabei guten Kaffee und manche machten auch unglaublich schlechten Kaffee. Ein Mitarbeiter hingegen machte absolut traumhaften Kaffee. Alle liebten es, wenn er den Kaffe machte. Dies gefiel allen Mitarbeitern und auch der besonders begabten Person. Und somit übernahm dieser Mitarbeiter im Laufe der Jahre die informelle Rolle des Kaffee-Zubereiters. Informelle Rollen können simpel und einfach sein, oder aber auch schwierig und komplex.


Wer welche Rollen übernimmt (egal of formell oder informell) hat in der Regel etwas mit der Persönlichkeit eines Menschen zu tun. Im Englischen nennt man dies “Valence” - aber die dt. Definition tut sich schwer, die Bedeutung dieses Begriffes vollständig zu vermitteln. Vielleicht kann man es am besten so beschreiben, dass eine Person sich zu etwas - einer bestimmten Rolle - hingezogen fühlt; bzw., was jemand vorzieht. Manche Menschen fühlen sich in solchen Rollen am wohlsten, die ihnen ermöglichen im Hintergrund zu agieren. Andere stehen lieber im Rampenlicht. Solche Vorzüge - und speziell die Gründe dafür - sind oftmals eher unbewusst und fungieren häufig um mit persönlichen Ängsten besser umzugehen: Jemand der lieber im Hintergrund steht hat vielleicht Angst sich vor anderen zu blamieren. Jemand der lieber im Rampenlicht steht hat vielleicht Angst als irrelevant dar zu stehen. Solche Vorzüge bleiben generell konstant und werden von der Person von Team zu Team, Situation zu Situation und von einer Organisation zur nächsten mitgenommen. Allerdings muss die Stärke mit welcher diese Vorzüge zum Ausdruck kommen nicht immer gleich sein. In manchen Situation fühlt man sich einfach wohler (oder auch sicherer) als in anderen…Solche Vorzüge beeinflussen formelle und informelle Rollen gleichermaßen.

Task (Aufgabe): Aus Sicht der Psychodynamik wurde die nächste Aufgabe noch nie gelöst und die nächste Arbeit noch nie zuvor gemacht. Obwohl wir vielleicht eine ähnliche Aufgabe bereits gelöst haben oder eine ähnliche Arbeit verrichtet haben, so sieht die Psychodynamik die zeitliche Abgrenzung als wesentlich. Da eine gemachte Aufgabe natürlich bereits in der Vergangenheit liegt ist sie grundsätzlich anders, als eine aktuell bestehende Aufgabe. Zusätzlich unterliegen Mitarbeitende, Teilnehmer und Anwesende ständiger Veränderung. Sie fühlen sich mal gut, mal schlecht. Sie lernen hinzu und wachsen geistig. Unsere Erfahrungen, Erlebnisse und Gedanken fließen also immer in eine Aufgabe oder Arbeit mit ein. Auch dadurch kann eine aktuelle Aufgabe einer bereits abgeschlossen Aufgabe lediglich ähneln - aber nie identisch sein. Gruppendynamik fordert uns dazu auf, uns diese Einflüsse bewußt zu machen und darüber nachzudenken, was wir in eine gegebenen Situation mit einbringen. Primäraufgabe: Aufgaben können auf verschiedene Weisen verstanden werden. Zum einen gibt es die Primäraufgabe - also das, was wir funktional bearbeiten oder lösen. Prinzipiell kann man sich hierbei darauf besinnen, was der eigentliche Grund für die Existenz einer Organisation oder eines Teams ist. In den meisten Organisationen gibt es natürlich mehrere Aufgaben die alle gleichzeitig darum wetteifern im Dienste der primären Aufgabe irgendwie zum Ausdruck zu kommen. Daher spielt hier auch wieder das Prinzip der Autorisierung eine wichtige Rolle: Eine Gruppe, ein Gremium oder auch eine Einzelperson entscheiden darüber, welche dieser Aufgaben Priorität hat und somit der primären Aufgabe vornehmlich dient. Es ist dieses Zusammentreffen von Autoritätsgrenze in Verbindung mit der Aufgabengrenze, die dazu beiträgt, dass eine Aufgabe klar wird und die Arbeit der Gruppe erfolgreich übernommen werden kann. Fehlt Klarheit in Bezug auf Autorisierung wird wahrscheinlich destruktives Chaos die Folge sein und das Überleben der Gruppe ist in Gefahr.


In einigen Fällen ist ein solcher Zusammenbruch vielleicht wünschenswert, damit aus dem Zusammenbruch etwas Neues entstehen kann und die gestellte Aufgabe auf diese Weise erfüllt wird. Doch aus der Perspektive der Gruppe (und deren Mitgliedern), die solch eine Dynamik nicht übersteht, lebt der Verlust noch lange weiter und kann traumarisierend sein. Man könnte auch sagen, dass die Mitglieder einer Gruppe einen gewissen Überlebensinstinkt haben der oftmals die Basis für Verhalten ist, dass der eigentlichen Aufgabe nicht gerecht wird. Mitglieder beschäftigen sich mit externen Dingen, sind nicht bei der Sache, sind einfach abgelenkt, desinteressiert, habe Ängste, sind nervös, usw. Um mit diesen Gefühlen besser klarzukommen benutzen Mitglieder mehrere Mechanismen die man immer wieder in Teams und Arbeitsgruppen beobachten kann: 1.) Gruppenmitglieder machen sich von anderen Mitgliedern abhängig und warten darauf, das ein Mitglied endlich die Führung ergreift und ein bestehendes Problem löst. Hierbei nimmt man oft an, dass alle anderen Mitglieder eine solche Fähigkeit überhaupt nicht besitzen. 2.) Die Gruppe sucht sich ein Traumpaar aus welches, gemeinsam, allen Herausforderungen gewachsen ist. 3.) Man streitet sich andauernd und über die trivialsten Dinge - damit sich auch ja niemand mit der wirklichen Problematik befassen muss. 4.) Mitglieder distanzieren sich - emotional, intellektuell oder auch physisch. Sie sind abgelenkt und versuchen so gut wie möglich irgendetwas zu machen, was nichts mit der eigentlichen Arbeit des Teams zu tun hat. 5.) Mitglieder verlieren sich in der Gruppenidentität. Alle geben vor, die gleiche Meinung zu haben. Sie stimmen allem zu und sind komplett undifferenziert. 6.) Man findet ein Opferlamm: Der eine Mitarbeiter, der an allem Schuld ist, der alle Meetings stört, Quatsch macht, immer dazwischen spricht, alle aus dem Konzept bringt, usw. Solch ein Opferlamm hat - aus Sicht der Gruppendynamik - ausgesprochen viele Vorteile: Mitglieder müssen sich nicht selbst mit Unzulänglichkeiten konfrontieren, jedes Versagen oder Scheitern ist schnell und einfach erklärt, usw. Prozessaufgabe:

Neben der primären Aufgabe gibt es auch noch den Prozess. Beim Prozess geht es darum, wie die Mitglieder miteinander umgehen und wie sie miteinander arbeiten. Dieser Prozess ist idealerweise adaptiv und im Dienste der primären Aufgabe. Oftmals werden die internen Prozesse des Teams aber nicht wahrgenommen und auch nicht verstanden. Ein Fokus auf die Prozesse bietet den Mitgliedern einer Gruppe die Möglichkeit, ihre Dynamik zu betrachten - einschließlich ihrer Abhängigkeiten, ihrer Traumpaar Fantasien, dem Heraufbeschwören von Streitereien, der Hoffnung der Situation irgendwie zu entkommen, dem kompletten Aufgeben der eigentlichen Arbeit und dem Abschieben jeglicher Schuld auf das Opferlamm. Generell geht es bei solchen Prozessen immer um Fragen bezüglich Autorität und Intimität - Fragen welche die gesamte Arbeit eines Teams positiv und auch negativ beeinflussen können. Da dieser Einfluss so ausgeprägt sein kann, ist es von Vorteil wenn Teams etwas Zeit damit verbringen, über ihre Prozesse nachzudenken und sie zu diskutieren. Da diese Prozesse aber häufig für Teammitglieder sehr schwer zu erkennen sind ist es für viele Teams ausgesprochen hilfreich einen designierten Berater hinzuzuziehen. Ein Blick von Außen ermöglicht eine komplett andere Perspektive! Gemeinsam ermöglichen diese Faktoren, dass alle - unabhängig von Position, Rolle, Autorität, Status, usw. ein besseres und tiefgründigeres Verständnis für das eigene Verhalten, aber auch für das Verhalten unsere Teammitglieder und für das Arbeitsteam als Ganzes erhalten können. Wenn wir verstehen was Menschen machen und warum sie etwas machen, dann können wir uns besser auf die zu verrichtende Arbeit fokussieren. Anstatt Zeit und Aufwand mit maladaptiven Prozessen zu verbringen, sind wir in der Lage genau zu verstehen, was diese Prozesse mit uns, dem Team und unserer Arbeit anstellen. Mit diesem Wissen ist es möglich einen anderen Kurs einzuschlagen - eine Kurs der das Team zusammenwachsen lässt, Mitgliedern nahebringt, dass alle Kollegen wertvolles Wissen und Kompetenzen haben, und dass wir uns in unseren Teams sicher und anerkannt fühlen.

 
 
 

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