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Das Problem mit der Veränderung. Grundsatzfragen.

  • M. Franz
  • Mar 31, 2022
  • 19 min read

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Wie läuft es bei euch in der Firma? Gibt es immer mal wieder Veränderungsinitiativen die letztendlich im Sande verlaufen? Change efforts die nur halbherzig umgesetzt werden oder sogar so gut wie möglich ignoriert werden?


Damit seid ihr nicht alleine! Die überwältigende Mehrheit solcher Initiativen erreicht nämlich nicht das, was sie eigentlich schaffen sollten: Im Jahre 1993 publizierten Michael Hammer und James Champy (1), dass 70% aller Veränderungsinitiativen in Organisation misslingen. Manchmal gibt es zwar einen Teilerfolg - aber es ist natürlich fraglich, ob man einen Teilerfolg in irgendeiner Weise als wirklichen Erfolg bewerten sollte. Letztendlich ist das entsprechende Bestreben ja nicht so implementiert worden, wie es geplant wurde.


Heute geht es darum, warum so viele Change Efforts nicht gelingen, worauf ihr achten müsst, und was ihr tun könnt, damit solche Veränderungsprojekte besser angenommen werden. Ich werde mich dabei auf Kurt Lewin’s Change Management Model von 1958 (2) berufen und auch Ed Scheins darauf aufbauende Überlegungen (3) in meine Erklärungen mit einbeziehen. Zuerst müssen wir uns aber Gedanken machen, welche grundsätzlichen Parameter wir berücksichtigen müssen, wenn wir eine Veränderung einleiten wollen. Wie das Sprichwort schon sagt, so ist der Mensch ein Gewohnheitstier - und wenn wir erstmal gelernt haben, wie etwas funktioniert, dann bleiben wir auch gerne dabei. Kurioserweise bleiben wir auch dabei, wenn unser Ansatz nicht perfekt funktioniert - denn in der Regel haben wir im Laufe der Zeit Strategien entwickelt, um mit eventuell auftretenden Problemen relativ gut umzugehen.


Um dahin zu kommen haben wir normalerweise etwas herumexperimentiert. Hat etwas was nicht funktioniert, dann werden wir es zu einem späteren Zeitpunkt nicht noch einmal so versuchen. Wenn aber etwas gut geklappt hat, dann nehmen wir diesen speziellen Ansatz in unser Repertoire auf und greifen darauf zurück, wenn ein ähnliches Problem nochmals auftritt.


Natürlich setzt das voraus, dass wir unser Gelerntes ein wenig abändern - nicht zu viel, sondern gerade so viel, dass wir ein Problem mit einer kleinen Abänderung recht gut lösen können. Wenn ein Problem also nicht zu “anders” ist, dann hilft uns diese Flexibilität, ohne zu viel Aufwand trotzdem zum Ziel zu gelangen. Was auch immer wir zur Zeit machen ist also grundsätzlich erstmal adaptiv. Das heisst, es funktioniert - auch wenn ein Problem nicht GENAU so ist wie ein vorangegangenes. Und weil unser Vorgehen eben adaptiv ist, sind wir auch mit einem weniger perfekten Ansatz zufrieden - denn wir erreichen ja letztendlich unser Ziel. Und das zählt! Ausserdem haben wir ja gelernt, dass uns Strategien zur Verfügung stehen, die es uns ermöglichen, mit verschiedenen Problemen so umzugehen, dass wir unser Ziel trotzdem erreichen. Zusammen macht dies unseren Ansatz scheinbar sicher und vorhersehbar. Wir wissen, was funktioniert und sehen daher auch keinerlei Grund davon abzurücken. Sollte nun eine fundamentale Veränderung anstehen, so schauen wir prinzipiell erstmal in etwas dunkles Unbekanntes. Da wir noch keine Erfahrung mit dem neuen Ansatz haben, wissen wir nicht, ob unsere bisherigen Strategien uns weiterhelfen. Wir kennen die neuen Anforderungen nicht. Wie befürchten, dass der neue Weg vielleicht mehr Arbeit für uns bedeuten könnte oder uns das Leben nur unnötig schwer macht. Lewins Drei-Phasen-Modell der Veränderung Man kann sich das ungefähr so vorstellen wie einen Eimer voller Eis in welchem verschiedene Objekte festgefroren sind. Diese Objekte stellen unseren momentanen Lösungsansatz da. Um das neue - ganz andere Problem - lösen zu können, müssten wir also die Objekte im Eis neu arrangieren. Um die Objekte zu bewegen muss das Eis aber erst schmelzen. Im Englischen nennt man diese Grundvoraussetzung für eine Veränderung “unfreezing.” Und auch im Deutschen ergibt diese Metapher natürlich einen Sinn. Wenn unser Eis geschmolzen ist, dann können wir die Objekte neu ordnen. Sind sie dann in einer Konstellation, die uns zusagt, dann lassen wir das Wasser wieder gefrieren und unsere Objekte stecken so fest, wie wir es wollen. Eine veränderter Ansatz ist geschaffen und auch verankert. Grundsätzlich ist dieser Prozess die Basis für jede Veränderung: Auftauen - Verändern - Einfrieren. Oder auf Englisch: Unfreeze - Change - Refreeze. Das hört sich natürlich erstmal super einfach und auch intuitiv an. Drei einfache Schritte, und voilà, die Veränderung hat geklappt. Natürlich ist es aber nicht so einfach - denn sonst würden so viele Transformations- und Change Initiativen nicht so kläglich scheitern. Unfreezing: Die erste Frage, die sich die meisten Menschen nämlich stellen ist: Und wie mache ich das? Einen Eimer Eis aufzutauen ist ja nicht so schwierig. Aber wie taue ich einen Prozess auf? Oder eine ganze Organisation? Um dies zu beantworten, müssen wir zuerst wissen, was GENAU, wir überhaupt verändern wollen. Um das Analog zum Eiseimer zu benutzen: Wie müssen erst bestimmen, welche Objekte überhaupt bewegt werden wollen damit wir herausfinden können, welcher Eimer diese Objekte beinhaltet. Schliesslich bringt es uns ja nicht weiter, wenn wir den falschen Eimer auftauen. Der Eiseimer Vergleich zeigt uns auch gleich noch ein weiteres - sehr wichtiges Problem auf: Welche anderen Objekte sind noch im Eimer die, nach dem Auftauen und dem neu Arrangieren unserer Objekte, zwangsweise mit verändert werden? Wir müssen uns also Gedanken darum machen, welche Auswirkungen unsere angestrebten Veränderungen auf den Rest des Eimer-Inhalts haben. Jede geplante Veränderung beginnt aber erstmal mit dem Erkennen eines Problems; dem Erkennen, dass etwas nicht so läuft wie erwartet, geplant oder erhofft. Diese Erkenntnis stellt ein Ungleichgewicht dar. Die Natur neigt zur Homöostase - einen Gleichgewichtszustand eines offenen dynamischen Systems, der durch einen internen regelnden Prozess aufrechterhalten wird. Und auch Menschen und Organisationen brauchen ein gewisses Gleichgewicht um langlebig, nachhaltig, und erfolgreich zu funktionieren. Beispiele dafür sind die oft-beschworene “Work-Life Balance”, Aktiva und Passiva, Einkommen und Ausgaben, usw. Nehmen wir ein Ungleichgewicht wahr, dann sind wir in der Regel von alleine bestrebt, einen Ausgleich herbeizuführen um “unser” System am Laufen zu halten. Wer nur arbeitet und keinen Ausgleich bekommt wird irgendwann krank. Firmen die nur Geld ausgeben und keines einnehmen gehen irgendwann pleite. Und so weiter. In anderen Worten, das Erkennen eines Ungleichgewichts führt zu Motivation etwas zu verändern - und ist also der Mechanismus des Unfreezings/Auftauens, dass ich bereits angesprochen habe.

Prozesse, die die Welt verändern: Um zu verstehen, warum und wie Unfreezing eine Motivation zur Veränderung schafft, müssen wir uns aber zuerst mit verschiedenen Prozessen befassen welche alle mehr oder weniger in einer Organisation bzw. einem System vorhanden sein müssen, um den Veränderungsprozess überhaupt anzustoßen, das heisst, um die entsprechende Motivation für eine Veränderung zu schaffen: Diese Prozesse sind 1.) Das Konzept der Falsifikation oder Gegenbestätigung.


2.) “Überlebensangst” und Schuldgefühle


3.) Lernangst

Falsifikation:

Fangen wir also mit der Falsifikation an. Prinzipiell habe ich das Konzept der Falsifikation bereits erklärt. Der Begriff bedeutet nämlich nichts anderes als das ein Angestellter oder Arbeiter in einer Firma seine eigenen Ziele nicht erreicht oder aber, dass manche angewandte Prozesse nicht zu dem gewünschten Ergebnis führen. Hierbei kann es sich um viele verschiedene Arten von Information handeln - egal ob sozial, wirtschaftlich oder persönlich. Werden wir für unser Verhalten von einem Vorgesetzten kritisiert, so stellt das zum Beispiel eine Falsifikation da. Auch Dinge wie 360 Feedback, Performance Assessments, etc. können falsifizierende Information darstellen. Daraus wird auch schon ersichtlich, dass Falsifikationen üblicherweise eine Manifestation eines Problems sind. Unsere Performance wird kritisiert weil eben irgendetwas schief läuft, welches dazu führt, dass wir nicht den Standard erreichen, der erwartet wird. Wie mit allen Symptomen zeigen uns auch falsifizierende Information nicht, was die Ursache eines Problems ist - sondern nur, dass eben ein Problem besteht. Auch sollte jetzt schon ganz klar sein, dass eine Organisation solche Informationen nutzen kann, um gezielt Motivation für eine Veränderung anzuregen. Ob falsifizierende Information letztendlich auch wirklich eine solche Motivation hervorruft hängt davon ab, wie die betroffene Person mit der Information umgeht. Wird die gegebene Falsifikation als falsch, ungültig oder für sich selbst als nicht zutreffend interpretiert, dann wird auch keine Motivation für eine Veränderung hervor gerufen. Überlebensangst und Schuldgefühle: “Überlebensangst” ist die Angst, die Menschen empfinden, wenn sie wahrnehmen, dass an einer Veränderung kein Weg dran vorbei geht. Entweder ich arrangiere mich mit den Ansprüchen der Veränderung - oder ich habe demnächst keinen Job mehr!

Schuldgefühle entstehen dann, wenn eine Falsifikation bedeutet, das ein wichtiges Ziel nicht erreicht wird, dass ein wichtiges Prinzip verletzt wird, oder das ein wichtiger Wert nicht gelebt wird. Um diese wichtigen Werte und Ziele aufrecht zu erhalten, sollte der betroffene Mensch seinen Ansatz ändern. Tut er das nicht, so wird er sich meistens schuldig fühlen. Jeder Mensch kennt es, wenn er bzw. sie sich schuldig fühlt weil man etwas gemacht hat, von dem man weiss, dass es falsch ist. Oder wenn man einen Termin nicht eingehalten hat, die falsche Aufgabe gelöst hat, usw. - obwohl man es eigentlich besser weiss oder sich selbst als zuverlässig einstuft. Wie auch falsifizierende Informationen, so können auch Schuldgefühle ignoriert und/oder heruntergespielt werden. Schliesslich liegt es ja an dem vollen Terminkalender, den mir mein Arbeitgeber vorgibt, dass ich die entsprechende Arbeit nicht termingerecht erledigen konnte. Ausserdem ist das alles ja auch gar nicht so schlimm! Solche und andere leicht einleuchtende Entschuldigungen funktionieren ausgesprochen gut, um Schuldgefühle zu verringern oder komplett zu unterdrücken. Selbst wenn wir unsere Schuldgefühle als angemessen einschätzen und zu der Schlussfolgerung kommen, dass etwas vielleicht in Zukunft anders ablaufen sollte, so können diese Gefühle dennoch unterdrückt werden wenn wir einschätzen das die benötigten Veränderungen vielleicht zu schwierig oder unangenehm sind, sie zu viel Aufwand bedeuten, oder auch unser Selbstwertgefühl bedrohen. Und das bringt uns zur Lernangst: Lernangst:

Etwas Neues zu lernen kann viele Ängste hervorrufen. Menschen, die etwas Neues lernen müssen, fürchten manchmal, dass sie ihre gegenwärtige Macht oder Position verlieren. Was geschieht, wenn ich den neuen Ansatz nicht so gut verstehe oder nicht so gut umsetzen kann wie andere? Was, wenn ich plötzlich nicht mehr “die” Expertin bin, die ich bisher war?

Menschen haben Angst, sie könnten sich - zumindest vorübergehend - inkompetent fühlen. Etwas Neues zu lernen kann anstrengend und auch frustrierend sein und kann somit am Selbstwertgefühl kratzen.

Und was geschieht überhaupt, wenn eine - wenn auch vorübergehende - Inkompetenz dazu führt, dass wir nicht wie gewohnt abliefern? Geschieht dies im Beruf, könnten eventuell negative Konsequenzen auf mich zukommen?


Lernangst kann auch dazu führen, dass Menschen gar nicht Teil des “Neuen” sein wollen. Manche Menschen kündigen zum Beispiel, wenn eine Veränderung am Kern ihrer eigenen Identität kratzt und die Organisation oder Firma nicht mehr für das steht, was sie als Kern des Ganzen ansehen.


Schliesslich besteht auch noch die Befürchtung, dass eine Neuerung oder Veränderung bestehende Gruppen zerschlagen könnte. Viele Menschen können berichten, dass sie einst Teil eines besonders tollen, guten, effektiven, etc. Teams waren - bis eben dieses Team durch eine Veränderung zerschlagen wurde. Die Arbeit, so wird dann erzählt, ist seit dem einfach nicht mehr, was sie früher einmal war. Unabhängig davon, welche dieser vielen Ängste die Lernangst hervorrufen, sie alle haben gemeinsam, dass sie zu Widerstand gegen die Veränderung führen.


Je größer die Lernangst, umso größer auch die Motivation, potentielle Entschuldigungen vorzuschieben die rechtfertigen sollen warum man eben gerade jetzt nichts neues lernen kann. Mechanismen der Lernangst: Besonders hervorzuheben sind hier drei verschiedene Mechanismen die aus Lernangst resultieren: 1.) Leugnen: Mit zunehmender Lernangst eines Menschen steigt auch die Neigung, falsifizierende Informationen als falsch, unerheblich, unwichtig oder nicht zutreffend beiseite schieben zu wollen. Mit anderen Worten, Menschen mit großer Lernangst leugnen häufig, dass ein beschriebenes Problem überhaupt existiert oder eine Rolle spielt. 2.) Sündenbock: Ein anderer Versuch mit der Lernangst umzugehen besteht darin, die Ursache eines Problems einfach woanders zu suchen. Denn wenn andere schuld sind, dann müssen eben auch andere eine Veränderung vornehmen. Ein Sündenbock kommt also wie gerufen!


3.) Manövrieren und Verhandeln: Um mit Lernangst umzugehen fragen sich viele Menschen, was denn überhaupt bei einer Veränderung für sie selbst herausspringt. Schliesslich muss man ja jetzt einen Extra-Aufwand erbringen - und wenn das so ist, dann sollte man uns auch überzeugen, dass dieser Aufwand für uns selbst profitabel ist. Falsifizierende Information führt also dazu, dass wir Schuldgefühle und/oder Überlebensangst verspüren - welche uns motivieren, eine Veränderung in Erwägung zu ziehen. Dem gegenüber steht aber potenziell eine gewisse Lernangst - die stark oder auch schwach sein kann. Zwei Ansätze eine Veränderung zu bewirken: Die bedeutet, dass einem Change Leader zwei potenzielle Ansätze zur Verfügung stehen, um einen Veränderungsprozess zu ermöglichen: 1.) Der Change Leader kann die Überlebensängste des Betroffenen schüren oder das Schuldgefühl steigern bis eben der Betroffene so viel Angst hat oder sich so schuldig fühlt, dass er/sie sich einem Veränderungsprozess unterwirft. Abgesehen von ethischen Problemen mit dem Ansatz dafür zu sorgen das Ängste und Schuldgefühle stärker als die Lernangst sind, besteht auch die Problematik das stärkere Ängste und Schuldgefühle dazu führen können, dass auch die Abwehrmechanismen verstärkt werden. Wenn dies geschieht, dann ist die Veränderungsinitiative zum Scheitern verurteilt. 2.) Der zweite Ansatz betrifft natürlich die zweite Hälfte der Gleichung. Statt Überlebensangst und Schuldgefühle zu schüren bleibt dem Change Leader die Möglichkeit, die Lernangst zu mindern. Ängste zu mindern wirft in der Regel natürlich keine ethischen Fragen auf sondern wird generell als wünschenswert gesehen. Ich habe ja vorher schon erklärt, welche spezifischen Ängste mit einer Lernangst einhergehen.


Zur Erinnerung: Angst vor - einem Verlust von Macht oder Position.

- vorübergehender Inkompetenz.

- Bestrafung für Inkompetenz.

- Verlust der persönlichen Identität.

- Verlust der Gruppenmitgliedschaft.

Das Gegenteil von Angst ist ein Gefühl der Sicherheit - und deshalb zielen die Ansätze die bestehende Lernangst zu reduzieren auch darauf, genau solch ein Gefühl der psychologischen Sicherheit zu fördern. Voraussetzung für eine Verringerung der Lernangst ist, dass die betroffene Person oder Gruppe weiß oder zumindest denkt, dass die Veränderung überhaupt möglich ist und auch in ihrem eigenen Interesse ist.


Der Change Leader kann sich hier an acht Aktivitäten orientieren die, soweit möglich, gleichzeitig ausgeführt werden müssen:

1.) Eine überzeugende positive Vision muss angeboten werden: Wer will sich schon verändern, wenn es einem danach schlechter geht? Niemand! Und wer will sich verändern, wenn die ganze Sache irgendwie fadenscheinig ist? Auch niemand! Es ist also wichtig, das betroffene Personen wahrnehmen, dass eine Veränderung zu einer Verbesserung führt - für sie selber und/oder auch für das Team oder die Organisation. An dieser neuen - und positiven - Vision sollte auch nichts verhandelbar sein. Mit anderen Worten, die Veränderung ist genauso wie sie präsentiert wird auch notwendig und die Organisationsführung steht Voll und Ganz dahinter.

2.) Offizielle Schulungen müssen angeboten werden: Niemand wird erwarten, dass Mitarbeiter eine Veränderung, einen neuen Prozess oder einen neuen Ansatz irgendwie - wie von Magie - plötzlich anwenden können. Ohne entsprechende Schulungen welche neue Fertigkeiten, neue Vorgehensweisen und/oder neue Denkweisen an die betroffenen Personen weitergeben, wird eine Veränderung scheitern.

3.) Die betroffenen Personen müssen in den Prozess eingebunden werden: Da jeder Mensch auf seine eigene Art und Weise lernt, ist es sehr wichtig, das betroffene Personen ihre Lernmethoden selbst so gestalten können, dass sie davon maximal profitieren. Das, was gelernt werden soll ist natürlich nicht verhandelbar - wie man den neuen Ansatz aber am besten lernt sollten betroffene Personen selbst verantworten können.


4.) Schulung relevanter Gruppen und Teams: Jedes Team, jede Einheit, jede Gruppe verfügt über ihre ganz eigene Art zu existieren. Annahmen, Normen, und Werte können zwischen Gruppen verschieden sein, sind aber immer innerhalb einer Gruppe eingebettet. Sollten nur Einzelpersonen geschult werden, so eröffnet dies die Möglichkeit, dass das Erlernte durch Gruppenzwang unterdrückt wird. Wenn aber das gesamte Team Zugriff zum gleichen Wissen und zu den gleichen Fähigkeiten hat, so fällt es individuellen Person viel leichter, das Gelernte auch umzusetzen, tiefer zu verarbeiten und besser zu verstehen.


5.) Ressourcen müssen angeboten werden: Vornehmlich bedeutet dies, dass Betroffene Zeit haben, einen neuen Ansatz auch so zu lernen, dass sie das neue Wissen und die neuen Fähigkeiten auch beherrschen. Im Rahmen der verfügbaren Zeit bedeutet dies auch, das andere Ressourcen - wie die Möglichkeit zu üben, Fragen zu stellen, und Feedback zu bekommen den lernenden Personen zur Verfügung stehen. Zugriff auf ein Mentorenprogramm oder Coaching sollte ebenfalls gegebenenfalls berücksichtigt werden. Auch sollten Lernende die Möglichkeit bekommen das neu Gelernte zu üben damit verhindert werden kann, dass potenzielle Fehler einen negativen Einfluss auf das betriebliche Geschehen haben.

6.) Positive Vorbilder müssen geschaffen werden: Abhängig von der Situation resultiert eine der effizientesten und effektivsten Methoden Menschen etwas beizubringen von der simplen Beobachtung von Menschen, die eine neue Methode bereits beherrschen. Vorzugsweise sind solche Vorbilder Personen, mit den sich der Lernende identifizieren kann. 7.) Gruppen zur Unterstützung bieten, in denen Lernprobleme angesprochen und diskutiert werden können: Wie schon unter Punkt 5 angesprochen, müssen Lernende eine entsprechende Unterstützung bei ihrem Lernprozess haben. Hervorzuheben ist hierbei die Gelegenheit mit anderen, die den gleichen Lernprozess erleben, über ihre Frustrationen und Schwierigkeiten zu sprechen.


8.) Hindernisse müssen beseitigt werden und Belohnungssysteme und -strukturen müssen angepasst oder neu erschaffen werden: Es bringt natürlich nichts, wenn Menschen einen neuen Ansatz erlernen, dieser aber in den Strukturen, Belohnungs- und Kontrollsystemen der Organisation nicht entsprechend reflektiert wird. Bestehende Systeme und Strukturen können leicht entgegen der Intention einer Veränderung laufen. Ist dies der Fall, wird eine Veränderungsinitiative scheitern. Denken wir jetzt zurück an unseren Eiseimer, dann sollte uns klar sein, dass in unserem Eimer viele verschiedene Objekte stecken die bei einer Veränderung von nur einem Objekt ebenfalls eine Veränderung erfahren. Wir können unseren Eimer also als ein komplexes System ansehen - denn Organisationen sind IMMER komplex. Verändern wir einen Teil, so hat dies IMMER Auswirkungen auf andere Teile des Systems. Als Change Agent ist es wichtig, sich dieser Auswirkungen bewusst zu sein, einschätzen zu können, welche anderen Parameters durch eine Veränderung ebenfalls verändert werden und wie man diese Teile des Systems am besten managed. Veränderung/Change:


Da wir mit Hilfe dieser acht Mechanismen die Lernangst vermindert haben und die Möglichkeit geschaffen haben, dass die Betroffenen einer Veränderungsinitiative dieser auch offen gegenüber stehen können, ist es an der Zeit uns bewusst zu machen, wie Menschen überhaupt lernen.

Verschiedene Methoden wurden von mir schon angesprochen: Entweder versuchen wir so lange verschiedenen Ansätze bis einer funktioniert, oder wir schauen uns bei anderen ab, wie sie ein gegebenes Problem lösen. Wie ihr sicher aus eigener Erfahrung wisst, benutzen Menschen generell beide Methoden. Das Wissens-Spektrum: Wir können Tätigkeiten, zum Beispiel, auf einer Skala platzieren. Auf der einen Seite sind Routinetätigkeiten die immer den gleichen Abläufen folgen und bei denen das Befolgen der vorgegebenen Abläufe Fehler minimiert. Für solche Tätigkeiten sind Beobachten und Imitieren ein ausgesprochen effizienter and effektiver Lernansatz. Imitation eines Vorbilds ist somit also observierendes Lernen. Der Beobachtende/Lernende kann sehen, dass das Verhalten, die Einstellungen/Haltungen, und das Wissen des Vorbilds anders sind, als die eigenen. Diese Art eine Differenzierung anzuerkennen ist somit eine Quelle von falsifizierender Information welche aber gleichzeitig ebenfalls eine Vorbildfunktion übernimmt in dem das Vorgelebte bzw. Gezeigte vom Lernenden übernommen werden kann. Allerdings muss man hier als Change Leader Vorsicht walten lassen denn Vorbilder sind natürlich auch nur Menschen und somit ist eine komplette Kontrolle dessen, was weitergegeben wird nicht perfekt kontrollierbar. Darum es lässt sich auch nicht mit Sicherheit vorhersagen, was genau vom Lernenden übernommen wird. In einer geplanten Veränderungsinitiative muss ein Vorbild oder Mentor so ausgewählt werden, dass er oder sie ein neues Verhalten exemplarisch widerspiegelt.


Auch spielen Persönlichkeit und macro-kulturelles Verständnis eine wichtige Rolle. Sollte es hier eine gravierende Diskrepanz zwischen Lernendem und Vorbild geben, so kann es leicht passieren, dass das Gelernte nur vorübergehend umgesetzt werden da das Vorbild in solchen Fällen oftmals als unzureichend entlang vieler möglicher Parameter eingestuft wird. Mit zunehmender Komplexität des zu lernenden neuen Ansatzes spielen diese Faktoren eine größere Rolle. Hierin liegt auch einer der Gründe, warum so mancher Change Effort letztendlich scheitert.

Ein Beispiel für Lernprozesse bei denen Imitation hilfreich ist, sind Arbeiten am Fliessband oder die Choreographie eines Tanzes. Auf der anderen Seite unserer Skala sind Tätigkeiten die von Unsicherheit und Unüberschaubarkeit geprägt sind. Ein bestimmtes Ergebnis kann hier meist nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden und das Endresultat steht erst fest, wenn ein bestimmter Vorgang ausprobiert und abgeschlossen wurde. Erreicht dieser Vorgang das Ziel nicht, so wird etwas verändert und neu probiert. So lange, bis das gewünschte Ergebnis erreicht wird. Selbst nach Erreichen eines Ziels wird meistens weiter daran gearbeitet, den Prozess zu verbessern.


Im Prinzip bedeutet dies eine anhaltende Suche nach zusätzlicher Information welche dann in den Prozess eingebunden wird. Ein Beispiel hierfür sind Forschungsarbeiten in der Medizin. Imitation ist beim Betreten von wissenschaftlichem Neuland nicht besonders hilfreich da Imitation lediglich einen bestehenden Prozess reproduziert - im Idealfall mit kompletter Übereinstimmung - und Wissen nicht weiter vorantreibt. Wie ich schon angesprochen habe sind aber beide Lernmethoden wichtig. Das vorherige Beispiel aus der Medizin macht dies deutlich: Um neue medizinische Prozesse zu schaffen bedarf es Experimentation, nicht Imitation. Aber um Medizin erfolgreich anzuwenden bedarf es Imitation, nicht Experimentation! Ich jedenfalls möchte nicht, das mein Arzt an mir experimentiert! Bei jeder Veränderungsinitiative sollte sich der Change Leader also bewusst sein, dass die neuen zu vermittelnden Fähigkeiten und das entsprechende Wissen im Rahmen des Tätigkeitsanspruchs gesehen werden müssen, damit deren Vermittlung an die Lernenden möglichst effektiv ist.


Ein neuer Ansatz wird nur dann übernommen, wenn erkannt wird, dass die neue Methode besser ist als die alte! Natürlich kann man daraus schlussfolgern, dass unkomplizierte Veränderungen einfach erzwungen werden können - wer sich nicht an die neuen Vorgaben hält, der verliert irgendwann seinen Arbeitsplatz, wird vielleicht nicht für eine Beförderung berücksichtigt, usw. Hier sollte man ausgesprochene Vorsicht walten lassen: Erzwungene Veränderungen führen in der Regel dazu, dass Menschen entweder Wege finden, die Veränderung zu sabotieren, oder das sie eine Methode finden, die es so aussehen lässt, als hätten sie die Veränderung übernommen obwohl sie eigentlich genauso weitermachen wie bisher. Abstraktion ruft Probleme hervor: Mit diesem Wissen bezüglich der Art und Weise, wie Menschen überhaupt lernen, ist es aber nicht getan. Bevor wir mit der eigentlichen Veränderung beginnen müssen wir zuerst ganz klar definieren, was überhaupt verändert werden muss. Man macht dies ausgesprochen gerne durch Abstraktionen die gleichzeitig die benötigte Veränderung zwar zusammenfassen, jedoch keinerlei Definition dafür geben, wie die Veränderung denn nun wirklich aussehen soll. Es ist sehr leicht zu sagen “Wir brauchen mehr Teamwork!” oder “Wir müssen den Kommunikationsfluss zwischen verschiedenen Einheiten verbessern” oder, noch abstrakter “Wir brauchen eine bessere Organisationskultur”. Bevor wir uns in die Fluten einer solchen Initiative werfen, Strukturen und Systeme modifizieren, Prozesse verbessern und Kickertisch und Obstschale im Pausenraum aufstellen, müssen wir genau definieren, wie Menschen sich verhalten, wenn sie die Veränderung umgesetzt haben. Was genau muss ein Mitarbeiter machen damit wir wissen, dass unser Ziel umgesetzt wurde? Je klarer das gewünschte neue Verhalten konkretisiert wird, desto leichter wird es, ein Lernumfeld zu schaffen in welchem Lernangst reduziert und psychologische Sicherheit erhöht werden. Unklare Definitionen führen unweigerlich zu Fehlinterpretationen dessen, was überhaupt erwartet wird. Was, genau, bedeutet es wenn wir offene Kommunikation in unserer Firma wollen? Für manche Mitarbeiter mag dies bedeuten, dass sie sich endlos mit Kollegen unterhalten. Für andere mag offene Kommunikation bedeuten, dass sie nun mit erhöhter (vielleicht auch überhöhter) Regelmäßigkeit einen Report an Vorgesetzte senden. Ein sehr guter Freund von mir war vor Jahren Betriebsleiter bei einer sehr großen, weltweit agierenden Firma. Von “Oben” bekam er Vorgaben, die er umsetzen sollte. Allerdings - und dessen war auch er sich nicht bewusst - waren diese Vorgaben nicht konkretisiert. Zum Beispiel sollte “Muda” - der japanische Begriff für “Verschwendung” (ursprünglich bei Toyota verwendet und eigentlich eher mit “Müll” gleichbedeutend) reduziert werden.

Kein Problem, dachte sich mein Freund und änderte Prozesse um Verschwendung so gut wie möglich zu reduzieren. In regelmäßigen Abständen wurden Berichte nach oben weitergeleitet, welche den Fortschritt ganz klar dokumentierten. Leider sahen die Vorgesetzten aber keinerlei Fortschritt und nachdem man meinen Freund mehrmals ermahnt hatte und dieser nach immer neuen Möglichkeiten suchte, “Muda” zu verringern, wurde er letztendlich entlassen.


Das Problem war nicht, dass mein Freund seine Arbeit nicht gemacht hatte - denn das hatte er ja und konnte es auch ganz eindeutig dokumentieren. Das Problem war, dass keiner der Stakeholder je definiert hatte, wie genau es denn aussehen würde, wenn Verschwendung reduziert wurde. Für meinen Freund ging es um Fehlproduktion - also Ausschuss, und die Maximierung der verfügbaren Ressourcen. Die Vorgesetzten hingegen, sehen eine viel wichtigere Verschwendung bei Betriebskosten - inklusive turn-over Kosten bei Arbeitern.

Das zweite Problem einer fehlenden konkreten Spezifikation von gewünschtem Verhalten ist, dass wir überhaupt nicht messen können, ob unsere Veränderungsinitiative erfolgreich war. Auch haben wir so keinerlei Anhaltspunkte um zu erkennen, wo ein Defizit besteht und/oder wo unsere Maßnahmen das erreichen, was wir wollen. Ohne konkrete Spezifikationen können wir also auch keine neuen - und aussagekräftigen - Beurteilungsstandards entwickeln. Es bedarf also einiges an Arbeit - und auch an Berücksichtigungen, bevor eine Veränderungsinitiative Fuß gefasst hat und ein neuer Ansatz umgesetzt wird.


Damit sind wir aber noch nicht fertig! Denken wir wieder an unseren Eimer. Zwar haben wir das Eis aufgetaut und unsere Objekte so arrangiert, wie wir es wollen, aber so lange die Objekte frei im Wasser schwimmen können sie ganz leicht wieder verändert werden. Wir müssen also sicherstellen, dass unsere Objekte genau dort bleiben, wo sie auch sein sollen. Also frieren wir unseren Eimer wieder ein. Und genau so müssen wir auch in unserer Organisation sicherstellen, dass unsere Veränderungen Bestand haben.

Dies bringt uns zu letzten Phase der Veränderung: Refreezing:


Die effizienteste Methode einen neuen Ansatz fest zu verankern ist es, Arbeitnehmern zu vermitteln, dass die Veränderungen tatsächlich zu einer Verbesserung geführt haben. Meist stellen Arbeitnehmer dies von ganz alleine fest, aber wir können natürlich auch die entsprechenden Beweise liefern - denn schliesslich haben wir ja genau definiert, wie eine Verbesserung aussieht und haben auch entsprechende Beurteilungsstandards entwickelt. Sollte dies nicht der Fall sein, so stellen die Ergebnisse nach der Veränderung wieder falsifizierende Informationen dar, die unweigerlich zu einer weiteren Veränderung führen.

Ganzheitlichkeit:


Wenn man aber weitab der Unternehmensführung Mitarbeiter befragt, so ist eine sehr häufig auftretende Beschwerde, dass “die da oben” keine blassen Schimmer von der Realität der Arbeit haben. Change efforts unterliegen oftmals einem “Silo-Effekt”, das heisst, Veränderungen werden in relativer Isolation von den Menschen initiiert, die davon direkt betroffen sind. Unternehmen sammeln natürlich ständig Daten und Informationen. Key Performance Indicators oder Objectives and Key Results - also quantifizierbare Werte welche es ermöglichen ein Unternehmen in Rahmen eines festgelegten Zeitrahmens zu bewerten - spielen beim Treffen von Entscheidungen eine wesentliche Rolle. Es ist natürlich recht schwer gegen dokumentierte Daten zu argumentieren - aus betriebswirtschaftlicher Sicht mögen solche Kennzahlen unanfechtbar sein. Ein Problem entsteht jedoch, wenn wir vergessen das Unternehmen eben nicht nur aus Metriken bestehen sondern das hinter jeder Kennzahl - irgendwo - menschliches Verhalten steht. Selbst komplett automatisierte Produktionsreihen unterliegen dennoch menschlichen Verhalten - ob nun beim Design oder bei der Wartung der Geräte. Es sollte also kein Wunder sein wenn Arbeitnehmer sich komplett von den Gründen für eine Veränderung abgeschottet fühlen. Je größer die Distanz zwischen Mitarbeitern auf den untersten Hierarchiestufen und jenen auf den höchsten, desto größer wird diese “Abgelöstsein” wahrgenommen. Wenn diese Distanz vorkommt, dann werden Veränderungen nicht als ein gemeinsamer Prozess wahrgenommen sondern als etwas, dass Arbeitnehmern abverlangt oder angetan wird. Ich habe als junger Mensch häufig in solchen unteren Hierarchien gearbeitet um mir etwas Geld zu verdienen. “Was tun die uns jetzt schon wieder an?” war dort keine seltene Frage. “Die haben überhaupt keine Ahnung, was Arbeit überhaupt ist” keine ungewöhnliche Feststellung. Gerne auch begleitet von Augenrollen. Beides drückt die Distanz und fehlende Identifikation mit “denen da oben” sehr gut aus. Fehlende Identifikation mit den Treibern einer Veränderungsinitiative bedeutet auch gleichzeitig, dass die Initiative nur schwer Fuß fassen kann. Das Endresultat ist das Gleiche wie beim Erzwingen von Veränderungen: Arbeitnehmer entwickeln Schutztechniken die es so aussehen lassen, als würden sie eine Veränderung umsetzen, sie versuchen die Veränderung zu umgehen, oder sie sabotieren die Veränderung. Solche Einschätzungen werden schnell Teil einer Arbeitskultur eines ganzen Teams oder gar eines ganzen Werks. Wenn dies geschieht, dann ist die Veränderungsinitiative zum Scheitern verurteilt. Das Schicksal ist dann genau das, welches ich am Anfang schon beschrieben habe: Irgendwann landet die Initiative in irgendeiner Schublade und wird vergessen. Ein ganzheitlicher Veränderungsansatz trägt daher erheblich zur erfolgreichen Umsetzung einer Veränderungsinitiative bei. Das heisst, dass wir uns nicht nur auf quantifizierte Daten verlassen, sonder auch anerkennen, dass unsere Entscheidungen Menschen betreffen und von Menschen getragen werden müssen. Letztes Jahr besuchte ich eine metallverarbeitende Firma in welcher ein hoher Anteil an Beschäftigten Hörprobleme auf Grund der ausgesprochen lauten Arbeitsbedingungen hatten. Die neue Geschäftsleitung hatte sich auf die Flagge geschrieben, dies zu ändern. Gesagt, getan. Man kaufte exzellenten Gehörschutz für alle Arbeiter und instruierte die Menschen, wie und wann der Gehörschutz zu tragen sei. Die Erwartung war, natürlich, dass sich die Situation nun verbessern würde. Das tat sie allerdings nicht. Die Geschäftsführung beobachtete, das die Arbeiter den Gehörschutz einfach nicht trugen. Also machte man sich Gedanken, woran dies liegen könnte. Vielleicht gab es keine entsprechenden Ablagen um den Gehörschutz unterzubringen, wenn man ihn nicht benötigte? Also wurden Halterungen gekauft, damit der Gehörschutz einfach an der Kleidung befestigt werden konnte. Dies brachte jedoch keine Veränderung. Vielleicht benötigte man kleine Regale am Arbeitsplatz? Wieder keine Veränderung. Vielleicht waren Ohrstöpsel besser als “Mickymäuse”? Wieder keine Verbesserung. Die Geschäftsleitung unternahm, was auch immer ihr einfiel. Nur eines nicht: Sie fragte NIE nach, warum die Arbeiter den Gehörschutz nicht tragen wollten. Statt auf den Menschen fokussierte man sich auf Kennzahlen! In meiner Erfahrung ist es allerdings nicht einfach damit getan, nachzufragen und einen Dialog zu suchen. Dies funktioniert nur wenn:

-die angesprochenen Personen sich auch sicher fühlen, die Wahrheit sagen zu können. - die Frage vorbehaltlos gestellt wird. Das heisst, die Frage bezeugt echte Neugier und echtes Interesse und nicht eine implizierte Bewertung. “Jetzt haben wir schon so viel Geld für den Gehörschutz ausgegeben und ihr wollt die Dinger trotzdem nicht tragen. Woran liegt’s?” führt zu einer anderen Antwort als “Was denkst Du, wieso der Gehörschutz nicht getragen wird?”


Um eine Veränderungsinitiative umzusetzen und nachhaltig zu implementieren braucht es mehr als nur harte Fakten! Wenn wir vergessen, dass wir mit komplexen Menschen zu tun haben, welche fühlen, denken, und spüren, dann leiten wir unsere Veränderungsprozesse nur noch näher an ein Misslingen heran.

Und das ist der Kernpunkt einer jeden Veränderungsinitiative: Sie befasst sich letztendlich mit Menschen - nicht mit Zahlen!


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Bibliografie: (1) Hammer, M. and Champy, J. (1993) Reengineering the Corporation: A Manifesto for Business Revolution. Scientific Research: An Academic Publisher, Harper Collins, New York. (2) Lewin, K. 1958. “Group Decisions and Social Changes.” In E. E. Maccoby, T. M. Newcomb, and E. L. Hartley, eds., Readings in Social Psychology. New York: Holt, Rinehart, and Winston, pp. 163-226.

(3) Schein, E. H. 2018. Organisationskultur und Leadership. München: Verlag Franz Vahlen.

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